Okinawa
Itosu Anko
Funakoshi Gichin

Geschichte des Karate

Unter Karate (jap. 空手, dt. „leere Hand“) verstehen wir heute eine zumeist waffenlose Kampfkunst. Die Ursprünge des Karate liegen auf der pazifischen Insel-Kette Ryūkyū, welche heute zu Japan gehört. Besondere Bedeutung wird hier deren Hauptinsel Okinawa zugeschrieben. Diese liegt ca. 500 Kilometer südlich der japanischen Insel Kyūshū zwischen dem südchinesischen Meer und dem Pazifik.
Bereits im 14. Jahrhundert unterhielt Okinawa, damals Zentrum des unabhängigen Inselkönigreichs Ryūkyū, rege Handelskontakte zu Japan, China, Korea und Südostasien. Die drei großen Städte der Insel, Naha, Shuri und Tomari, waren damals wichtige Umschlagplätze für Waren und boten damit ein Forum für den kulturellen Austausch mit dem chinesischen Festland. Dies geschah zum einen durch chinesische Händler, welche sich um 1372 in Okinawa niederließen, zum anderen aber auch durch Angehörige der okinawanischen Adels- oder Kriegerklasse (Peichin), welche zu Studienzwecken nach China entsandt wurden.
Dadurch gelangten chinesische Kampftechniken (chin. „Quanfa“; jap. „Kenpō“) nach Okinawa, wo sie sich mit dem einheimischen Kampfsystem des Te (Ryūkyū-Dialekt „Di“) vermischten und sich so zum Tōde (Tōdī) oder Okinawa-Te (Uchinādī – „Hand aus Okinawa“) weiterentwickelten.
Besondere Bedeutung wird hier dem Stil des weißen Kranichs (He Quan) aus der chinesischen Provinz Fujian zugeschrieben, welcher noch heute in China existiert und neben der Mönchsfaust und dem Stil der Gottesanbeterin die wichtigste Grundlage für die heutigen Karate-Stile bildete.

Te bedeutet wörtlich „Hand“, im übertragenen Sinne auch „Technik“ bzw. „Handtechnik“. Der ursprüngliche Begriff für Tōde oder Karate (jap. 唐手) kann daher frei als „Handtechnik aus dem Land der Tang“ (China) übersetzt werden (bedeutet aber natürlich die verschiedenen Techniken als Ganzes).

Über die Jahrhunderte entwickelten sich auf Okinawa verschiedene Karate-Ausprägungen (Stile), von denen eine Vielzahl noch heute existiert. Jeder Stil zeichnet sich durch eigene individuelle Prinzipien aus die zum Teil deutlich über das allgemein mit Karate in Verbindung gebrachte Schlagen und Treten hinausgehen.
In vielen Stilen gehören auch Grappling, Würfe, Hebel und Angriffe auf Vitalpunkte zur Ausbildung.

Ein Prinzip ist jedoch allen Karate-Stilen gemein. Die Rede ist von der Kata (jap. 型, dt. „Form“). Aus Ermangelung schriftlicher Aufzeichnungen diente die Kata bereits in China als Mittel das Wissen vom Lehrer zum Schüler weiterzugeben. So wurden über die Jahrhunderte eine Vielzahl unterschiedlicher Kata geschaffen, die ihrerseits die stilspezifischen Prinzipien jeder Karate-Strömung enthalten.

Etablierung in der Öffentlichkeit

Um 1900 initierte Anko Itosu, der heute auch als Vater des modernen Karate bezeichnet wird, die Einführung des Karate an Okinawas Mittelschulen als Mittel zur Körperertüchtigung. Hierfür entwickelte er vereinfachte und entschärfte Schülerkata, die so genannten Pinan-Gata.

Erst in der Mitte des 20. Jahrhunderts wurde Karate einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht, als einige Schüler Itosus, wie Gichin Funakoshi oder Kenwa Mabuni Okinawa verließen um Karate in Japan zu verbreiten. Aufgrund der damaligen politischen und kriegerischen Zerwürfnisse mit China war es schwierig die Akzeptanz der noch deutlich chinesisch beeinflussten Kampfkunst in der japanischen Öffentlichkeit zu erreichen. Aus diesem Grund kam es zur Veränderung der Schreibeweise für „Karate“. Aus 唐手 = „Hand aus China“ wurde 空手 = „Leere Hand“. Gichin Funakoshi ging sogar so weit und gab allen Kata neue japanische Namen um eine endgültige Anpassung des Systems zu erreichen.
Des weiteren kam es schließlich auch zur Vermischung mit den bereits vorhandenen japanischen Kampfkünsten (Judo, Ju-Jutsu, Kendo, usw.) und Trainingsmethoden, was zur Entwicklung japanisierter Karate-Stile und um 1951 letztlich auch zur Etablierung des Karate Wettkampfsystems unter der Japan Karate Association führte. Das typische Bahnenlaufen (Kihon Ido) ist z. B. erst auf dem japanischen Festland für den Gruppen
Der Einfluss dieser japanischen Kampfkünste ist letztlich auch der Grund für den zen-buddhistischen Einfluss und die Einführung des Do-Prinzips im Karate. Seit dem spricht man oft auch von Karate-Do (Karate Weg).

Heute unterscheiden wir daher zwei unterschiedliche Strömungen im Karate:

  1. Japanisches Karate (z. B. Shôtôkan, Wadô-Ryu, Shitô-Ryu, Kyokushin, usw.)
  2. Okinawanisches Karate (z. B. Goju-Ryu, Shorin-Ryu, Isshin-Ryu, Uechi-Ryu, usw.)

Anders als man vermutet, fristet Karate auf dem japanischen Festland bis heute das Dasein einer Nieschsportart. Die japanische Budo-Szene wird nach wie vor durch die Ur-Japanischen System, wie Judo, Kendo, Aikido oder Shorinji Kenpo dominiert. Auf Okinawa gehört Karate aber nach wie vor zum Alltagsbild.

Tora no maki
Das Wappen des Shotokan Stils

Was ist Shotokan Karate?

Shotokan (jap. 松濤館 „Haus des Pinienrauschens“) ist die in Europa am weitesten verbreitete Stilrichtung im Karate und beruft sich auf das Karate von Funakoshi Gichin (1868–1957), geboren in Shuri auf Okinawa. Ursprünglich als Hauptschullehrer tätig, basierte sein Karate auf dem Shorin-Ryu von Matsumura.

Shoto war Funakoshis Künstlername und bedeutet Pinienrauschen – seine erste eigene Trainingshalle (im Frühjahr 1935 in Tōkyō eingeweiht) wurde aus diesem Grund Shotokan („Haus des Shoto“) genannt. Diese Bezeichnung wurde später durch die Japan Karate Association als Stilname übernommen. Funakoshi selbst weigerte sich zu Lebzeiten seinem Karate einen Namen zu geben. Für ihn gab es „nur“ Karate.

Funakoshis Zielsetzung war die Schulung von Geist, Charakter und innerer Einstellung.

„Bevor du den Gegner besiegst, musst du dich selbst besiegen.“

„Man kann sehr sehr lange trainieren, aber wenn man immer nur Hände und Füße bewegt und wie eine Marionette umherspringt, dann ist Karate nicht anders als Tanzen lernen. Man wird die Hauptsache verfehlen. Es wird so nicht gelingen, die Quintessenz des Karate-dō zu begreifen.“

– Funakoshi Gichin, J. Hyams (1979, 87)

Funakoshis dritter Sohn Yoshitaka Gigō entwickelte 1938–1945 als Hauptlehrer im Shōtōkan-Dōjō tiefere und längere Stellungen und ab 1943 Gohon-Kumite, Sanbon-Kumite und Ippon-Kumite. Insgesamt ein dynamischerer und kämpferischerer Stil. Außerdem den Mawashi-Geri, Yoko-Kekomi, Yoko-Keage, Ura-Mawashi-Geri und Fumi-Komi. Kase Taiji entwickelte zeitgleich als Schüler Yoshitakas den Ushiro-Geri und den Kaiten-Geri (jap. 回天, kaiten, „Rückkehr in den Himmel“). Die Lehren von Yoshitaka werden heute im Shotokai Karate weiterverfolgt.

Professor Nakayama Masatoshi (1913–1987), Schüler von Funakoshi Gichin, studierte 1937–1946 unter anderem in China Kampfkünste. Er gründete 1949 an der Takushoku-Universität in Tokio mit Nishiyama und Takagi die Japan Karate Association (JKA) (jap.日本空手協会, Nihon Karate Kyōkai). Nakayama entwickelte das Jiyū-Kumite, welches später die Grundlage für den Wettkampf im Shotokan-Karate darstellte. Die spezielle Form des Kumite ermöglichte eine realistischere Kampfsimulation und eine gute Grundlage für die strategische Analyse, die auch zur Verbesserung der Selbsteinschätzung führte. Die korrekte Ausführung der Techniken wurde durch die Schiedsrichter kontrolliert. Nach dem Krieg war Nakayama Direktor der sportwissenschaftlichen Fakultät der Takushoku-Universität. So kam es erstmals zu einer wissenschaftlichen Aufarbeitung des Karate. Standardwerke wie das reich bebilderte „Dynamic Karate“ und die mehrbändige Buchserie „Karate-Perfekt“ entstanden. Außerdem fand eine sportwissenschaftliche Zusammenarbeit mit Okazaki Teruyuki (* 1931) damals in der JKA, an der Universität von Long Island in New York statt. Wettkampfregeln wurden schließlich im Jahr 1951 an der Waseda-Universität mit Oshima entwickelt. Diese basierten auf dem damals bereits vorhandenen Regelwerk für den Kendo Wettkampf.

Techniken

Inhaltlich wird Shotokan-Karate durch waffenlose Techniken charakterisiert, vor allem Schlag-, Stoß-, Tritt- und Blocktechniken sowie Fußfegetechniken. Diese Technikkategorien bilden den Kern des Trainings. Einige wenige Hebel und Würfe werden (nach ausreichender Beherrschung der Grundtechniken) ebenfalls gelehrt.
Recht hoher Wert wird meistens auf die körperliche Kondition gelegt, die heutzutage insbesondere Beweglichkeit, Schnellkraft und anaerobe Belastbarkeit zum Ziel hat. Charakteristisch für die Shotokan-Stilrichtung ist daher auch ein tiefer Stand, der dynamische und kraftvolle Bewegungen ermöglicht. Der tiefe Stand wird in erster Linie im Training der Grundschule Kihon und der Kata sowie in den Basisformen des Kumite (Kihon-Kumite) praktiziert. Hintergrund dessen ist, dass so die Muskulatur und die Bänder stets gedehnt werden, um im Kampf eine hohe Reichweite zu erzielen. Im Kumite-Shiai und im Jiyu-Kumite steht der Karateka locker und um einiges höher.

Hauptmerkmal des Shotokan-Stils ist der Kampf in einer möglichst weiten Distanz zum Gegner, wobei auch im Shotokan die Rolle des Nahkampfes in keiner Weise vernachlässigt wird.

Jede Shotokan-Technik kann entweder als eine Angriffstechnik oder als eine Verteidigungstechnik eingesetzt werden. Ein paar wenige Schlag-, Stoß- und Blocktechniken im Shotokan unterscheiden sich von denen anderer Stilrichtungen nur unwesentlich anhand der Ausholbewegungen in der Grundform der Ausführung, wobei die Trefferflächen dieselben sind. Die Fußtritte unterscheiden sich von denen anderer Stilrichtungen nicht, wobei im Shotokan häufiger Fußtritte zum Kopf ausgeführt werden.

Lehrmethodik

Die Lehrmethodik des Shotokan Karate Do basiert auf drei Säulen:

  1. Kihon (Grundschule)
  2. Kata (Form)
  3. Kumite (Kampf)

Im Kihon lernt der Schüler zunächst die wichtigsten Basistechniken wie Stöße (Tsuki-Waza), Schläge (Uchi-Waza), Abwehrtechniken (Uke-Waza) und Fußtechniken (Keri-Waza). Diese werden in der Regel in Form von Bahnen im Vorwärts- und Rückwährtsgehen geübt. Diese Methode nennt man auch Kihon-Idô, also Grundschule in der Bewegung. Ziel ist es die Grundtechniken möglichst perfekt und Ideal zu beherrschen um sie dann auf freiere Formen wie etwa den Freikampf übertragen zu können.

Die zweite Säule bildet die Kata. Kata bedeutet Form. Jede Kata ist eine in sich geschlossene festgelegte Abfolge von Abwehr- und Angriffstechniken und wird oft auch als das große Rätsel des Karate bezeichnet, da sie verschlüsselt verteidigungsrelevante Abwehr- und Kontertechniken enthalten. Im Shotokan Karate werden heute 27 Kata geübt.

Die dritte und letzte Säule bildet das Kumite, der Kampf. Zu Beginn erlernt der Schüler in – noch sehr grundschulartigen Formen der Partnerarbeit – mit Distanz, Druck und Geschwindigkeit umzugehen, bevor er nach einigen Jahren der Übung schließlich zum freien Kampf über geht. Dieser kann sowohl in Form von Wettkampf oder Partnersparring im Dojo stattfinden.

Der Deutsche Karate Verband e. V. (DKV)

Der Deutsche Karate Verband e.V. (DKV) ist der größte Fachverband für Karate in Deutschland und Mitglied sowie offizieller Repräsentant für diesen Sport im Deutschen Olympischen Sportbund.

Um der zunehmenden Zersplitterung der Verbände entgegenzuwirken, gründeten der Deutsche Karate-Bund (DKB), der Goju-Kai Deutschland (GKD) und der Deutsch-Japanische Karateverband (DJKV) am 17. Juni 1976 den Deutschen Karate-Verband e.V. (DKV) als gemeinsamen Dachverband und löste sich damit von den Verbindungen zur Japan Karate Association (JKA), welche außerhalb Deutschlands noch heute die Hoheit über das Shotokan Karate in Europa hat.

Der Deutsche Karate Verband (DKV) ist vom Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) anerkannt und repräsentiert: Leistungssport, mehrere Stilrichtungen (vor allem die mordernen Stilrichtungen des japanischen Festlandes), Schulkarate, Karate für Menschen mit Behinderung, Jukuren Karate für Späteinsteiger/-innen, Selbstverteidigung usw.
International ist der DKV der European Karate Federation (EKF) und der World Karate Federation (WKF) angeschlossen. Er gliedert sich in 16 Landesverbände mit zirka 96.000 Mitgliedern.

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